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WAHR- NEHMUNG |
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Wahrnehmung ist die Aufnahme von Reizen aus unserer Umwelt — sehen, riechen, fühlen, hören, ... (wobei bei der Mehrzahl der Menschen das Sehen die meisten Informationen beisteuert), — und die Verarbeitung dieser Reize im Gehirn. Würde die Aufnahme und Verarbeitung rein mechanisch und ganz schematisch geschehen, wäre das Ergebnis dieses Prozesses bei gleichen Reizen bei allen Menschen mehr oder weniger gleich. Nun, es ist offensichtlich und wir erleben es tagtäglich, dass dies nicht der Fall ist. Die aufgenommenen Reize werden mit unseren Erfahrungen und unserem vorhandenen Wissen abgeglichen, gefiltert und mehr oder weniger unbewusst bewertet und interpretiert. Auch unsere momentane Situation und Emotionen spielen dabei eine große Rolle (Stichwort „selektive Wahrnehmung”): Die Persönlichkeit eines Menschen beeinflusst seine Wahrnehmung (und die Wahrnehmung beeinflusst in der Folge seine Persönlichkeit, seine Emotionen und letztendlich sein Handeln).
Dies hat zur Folge, dass physikalisch-chemisch völlig identische Reize bei zwei Menschen stark unterschiedliche Wahrnehmungen auslösen können. Beispielsweise kann ein Musikstück einen Menschen zutiefst ergreifen, ein anderer empfindet das gleiche Stück als Lärmbelästigung. Selbst bei einem bestimmten Menschen können durch die gleichen Reize zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Wahrnehmungen entstehen, je nach seiner jeweiligen Verfassung oder z.B. abhängig vom Lebensalter.
Mit den Arbeiten der Serien „Wahrnehmung” erforsche ich die Möglichkeiten, mit den Mitteln des Mediums Fotografie darzustellen, dass Wahrnehmung ein sehr subjektiver Prozess ist.
Aber hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Die Fotografien basieren auf Sujets, die von mir wahrgenommen wurden, und sie wurden so gestaltet, dass sie für mich das zeigen, was von mir beabsichtigt war. Andere Menschen haben mit gewisser Wahrscheinlichkeit eine andere Wahrnehmung und deuten diese Fotografien möglicherweise ganz anders.
Machen Sie sich beim Betrachten selbst ein Bild vom Bild!
In der Serie „Wahrnehmung I” (begonnen 2005), aus der hier vier Beispiele gezeigt werden, sind "Dinge" von Bedeutung, die zwar sichtbar, aber physisch gar nicht vorhanden waren. Die Aufnahmen wurden so nachbearbeitet, dass diese "Dinge" deutlicher heraustreten und erkennbarer wesentliche Elemente der Fotografien wurden.
Die Serie II (ebenfalls begonnen 2005) umfasst Arbeiten, die aus jeweils zwei Fotografien bestehen. Durch unterschiedliche Filterung der Originalaufnahmen bei der Schwarz-Weiß-Umsetzung sind Bildpaare entstanden, deren zwei Einzelbilder zwar auf exakt den gleichen äußeren Bedingungen basieren (sie sind aus der selben Aufnahme gefertigt), aber dennoch deutliche Unterschiede zeigen. In jeder der beiden Fotografien treten Details in Erscheinung, die im aufgenommenen Motiv zwar vorhanden, aber in der jeweils anderen Fotografie nicht sichtbar oder völlig anders gewichtet sind.
In der Serie III (begonnen 2014) sind Objekte und Schatten dargestellt — bei genauerem Hinsehen stellt sich allerdings heraus, dass hier etwas nicht stimmt (obwohl die Aufnahmen diesbezüglich nicht manipuliert wurden).
Eine Fotografie ist ein Ausschnitt aus unserer Umgebung. Dies gilt grundsätzlich auch für unsere Wahrnehmung: sie ist niemals vollständig, sondern erfasst maximal nur das, was wir mit unseren Sinnen, ggf. erweitert durch technische Hilfsmittel, aufnehmen können. Ein vollständigeres „Bild” würden wir nur durch eine sehr viel umfassendere Wahrnehmung erhalten (wobei es nebenbei bemerkt ein Bild, eine Projektion der Umwelt in unser Bewusstsein bleiben würde). So ist es auch bei dieser Fotografie: Die Unstimmigkeit würde sich nur auflösen, wenn wir einen wesentlich größeren Ausschnitt sehen könnten.
Die Serie IV (ebenfalls begonnen 2014) hebt darauf ab, dass wir nur allzu leicht bereit sind, Gegebenheiten wahrzunehmen, wenn diese unseren Erwartungen entsprechen — ohne Prüfung, ob diese Gegebenheiten überhaupt mit den Tatsachen vereinbar sind. So scheint in der gezeigten Fotografie eine von Wellen durchzogene Oberfläche dargestellt zu sein. Wenn etwas aussieht wie Wellen, dann müssen es auch Wellen sein — denken wir. Tatsächlich handelte es sich aber um eine völlig ebene Fläche. Die gebogenen Formen der hellen Elemente lassen uns lokale Krümmungen der Fläche annehmen. Bei genauerem Hinsehen stellen wir fest, dass es physikalisch wohl unmöglich ist, dass es sich um Wellen handelt.